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Offener Unterricht - Geöffneter Unterricht

Der Begriff 'Offener Unterricht' kann mittels unterschiedlicher Definitionen und Merkmale bestimmt werden (vgl. Bohl, 2010):

So gilt Offener Unterricht unter anderem als

  •  grundlegende Erziehungsphilosophie nach Peschel
  •  pädagogische Haltung und als Sammelbegriff unterschiedlicher Reformansätze nach Wallrabenstein
  •  als Bewegung nach Jürgens
  •  als Unterrichtsstil nach Haarmann usw.

Gemeinsam ist allen Formen eine starke Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an der Planung und Realisierung ihres Lernens und schulischen Lebens sowie der Abbau lehrerzentrierten Unterrichts. In der Praxis sind unterschiedliche Dimensionen der Öffnung immer nur Teil der pädagogischen Realität und gekoppelt mit geschlossenen Phasen.

Falko Peschel beschreibt in seinen „Dimensionen der Öffnung“ ein Modell mit insgesamt 4 Stufen (Stufe 0 bis Stufe 3):

Die Vorstufe (Stufe 0) wird als „geöffneter“, aber noch nicht als „offener Unterricht“ bezeichnet. Gegenstand dieser organisatorischen Öffnung sind lediglich Komponenten wie Zeit, Ort, Sozialform und ähnliches. Inhalte, Methoden und Lernwege dagegen werden noch weitgehend durch die Lehrperson bestimmt.

Die Stufe 1 ist die methodische Öffnung und damit Grundbedingung für die Öffnung des Unterrichts. Sie basiert auf der konstruktivistischen und lernpsychologischen Annahme, dass Lernen ein eigenaktiver Prozess ist. Der Lernweg wird freigegeben, so dass die Kinder eigene Strategien zur Problemlösung anwenden , die Lehrpersonen aber weiterhin Inhalte und Problemstellung auswählt und in den Unterricht einbringt.

Die Stufe 2 ist die methodische und inhaltliche Öffnung und gilt durch die Erweiterung um die inhaltliche Dimension als Grundlage interessenbezogenen Lernens. Demnach lernen Kinder am schnellsten und einfachsten, wenn sie sich für ein Thema interessieren. Für den Unterricht bedeutet das, keine vorstrukturierten Lehrgänge oder Arbeitsmaterialien vorzugeben, sondern den Schülerinnen und Schülern die Chance zu eröffnen, eigene Themen zur Bearbeitung einzubringen.

Die Stufe 3 ist die sozial-integrative Öffnung und versucht, Basisdemokratie und Schülermitgestaltung im Unterricht zu verwirklichen. Die für das Zusammenleben notwendigen Absprachen unterliegen einer dauernden Veränderung, so dass eine gemeinsame Verantwortung für die situative Anpassung besteht. Der Lehrer ist dabei ein gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft und unterliegt den gleichen Regeln wie die Kinder der Klassengemeinschaft.

In der Unterrichtsreihe Gehäuseschnecken werden im Sinne Peschels Aspekte der ersten drei Stufen (Stufe 0 bis Stufe 2) in unterschiedlicher Ausprägung berücksichtigt.

So werden einerseits inhaltliche Vorgaben (u.a. Thema Schnecken, artgerechter Umgang und Pflege, Körperbau der Schnecke, …) wie auch methodische Vorgaben gemacht (z.B. das Angebot konkreter Internetseiten und Bücher zur Recherche). Andererseits findet innerhalb der Reihe auch eine inhaltliche und methodische Öffnung statt. Zu Beginn der Reihe entwickeln die Kinder individuell und interessengeleitet eigene Fragen zum Thema und für das Beantworten der Kinderfragen bieten sich wiederum Öffnungen unterschiedlicher Ausprägung an:

  • Die Lehrkraft nutzt die Fragen der Kinder zur Erstellung von Angeboten/ Versuchen in Form einer Lerntheke/ Stationen.
  • Die Fragen können von den Schülerinnen und Schülern selbstbestimmt mit Hilfe von Recherche (Internet, Bücher, eigene Beobachtung) oder durch die eigenständige Entwicklung und Durchführung von Versuchen geklärt werden.

Die Entscheidung der Lehrkraft, ein Angebot zur Fragestellung der Kinder vorzugeben oder durch Kinder eigenständig entwickeln zu lassen, hängt von den Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit offenen Lern- und Arbeitsformen ab. Kinder und Lehrende müssen dazu schrittweise bestimmte Qualifikationen/ Strategien entwickeln und einüben (Plakat Schneckenfragen beantworten).

Lernfortschritte und inhaltliche Erkenntnisse der Kinder werden in Anlehnung an ein Lerntagebuch oder den Portfoliogedanken in einem „Forscherbuch“ festgehalten.

Öffnung von Unterricht in den Richtlinien und Lehrplänen

In den Richtlinien wird eine Öffnung des Unterrichts mit entsprechenden Unterrichtsformen ausdrücklich gefordert. „Der Unterricht fördert die Fähigkeit und die Bereitschaft, das eigene Lernen bewusst und zielgerecht zu gestalten und mit anderen zusammenzuarbeiten. Die Lehrkräfte legen deshalb Wert auf eigenständiges und selbstverantwortliches Lernen. Bezogen auf die Lernentwicklung der einzelnen Schülerinnen und Schüler bedeutet der Unterricht sowohl Gelegenheit zum Lernen in angeleiteter Form als auch in offenen Lernformen, in denen Kinder selbst planen, entdecken, erkunden, untersuchen, beobachten, experimentieren, dokumentieren und ihre Arbeiten bewerten. In diesen Zusammenhang gehören auch die Arbeit nach einem Wochenplan, die Freie Arbeit, Formen der Projektarbeit sowie der Einsatz von Portfolios.” (RL, S.14)

Auch im Lehrplan Sachunterricht wird die Forderung nach Beteiligung der Kinder am Unterricht und damit Öffnung des Unterrichts formuliert. „In Originalbegegnungen, anregenden Lernarrangements und in kooperativen Lerngemeinschaften erproben Schülerinnen und Schüler unterschiedliche methodische Zugänge des aktiven Wissenserwerbs. Immer dann, wenn Kinder selbst Lösungen für Prozesse finden können, sollte ihnen der Raum dafür gegeben werden. Dies hilft ihnen zunehmend dabei, Lernwege selbst zu organisieren und zu gestalten.” (LP, S. 39)

Rolle der Lehrkraft

Lernen und Arbeiten in offenen Unterrichtsformen ist kein Unterricht jenseits aller Planung und Strukturierung:

  • Die Lehrperson muss den Kindern helfen, das Lernen zu lernen. (Lernstrategien vermitteln)
  • Die Lehrperson muss sicherstellen, dass die Aufgaben in Übereinstimmung mit den Lerninhalten und -zielen des vorangegangenen Unterrichts sowie in Bezug zur individuellen Lernausgangslage der Kinder und den Lernbedürfnissen der Klasse stehen. (Lernvoraussetzungen erheben und Kinder dort abholen, wo sie stehen)
  • Die Lehrperson muss eine Lernumgebung schaffen, in der geeignetes Material für eine intensive und altersgemäße Auseinandersetzung zur Verfügung steht und die Kinder nicht durch Quantität der angebotenen Materialien überfordert werden. (Vorbereitete Umgebung gestalten)
  • Die Lehrperson sollte den Kindern auch beim Lernen in der Großgruppe vielfältige soziale Erfahrungen ermöglichen, um ihnen die Chance zu geben entsprechende Fähigkeiten und Einstellungen zu erwerben. (Förderung sozialer Kompetenzen)