Phänomenkreise
„Phänomenkreise sind eine Gruppe von Experimenten/Versuchen zu einem gleichen Funktionsprinzip, die zueinander in Beziehung gesetzt werden, d.h. von den Schülerinnen und Schülern gemeinsam betrachtet und miteinander verglichen werden sollen, wobei Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zwischen ihnen festgestellt und diskutiert werden sollen.“ (Spreckelsen 2004, S. 99)
Ein Phänomenkreis unterscheidet sich von einer konventionellen Versuchsreihe dadurch, dass die Phänomene nicht getrennt voneinander behandelt und ausgewertet werden, sondern die Kinder sich gleichzeitig mit mehreren Phänomenen auseinandersetzen können und somit ein direkter Vergleich ermöglicht wird. Durch die Möglichkeit des Vergleichens wird das Auffinden einer gemeinsamen Erklärung der Phänomene durch die Schülerinnen und Schüler selbst gefördert. Von zentraler Bedeutung sind die Wahl und der Aufbau der Experimente/Versuche, um den Kindern ein eigenständiges Durchführen zu ermöglichen. Die Rolle der Lehrkraft liegt dabei im Sinne eines handlungsorientierten Unterrichts in der Unterstützung Kinder aus der „zweiten“ Reihe. Nach Spreckelsen (1997) bilden Kinder Analogien zwischen Phänomenen auf zweierlei Weise: phänotypisch und genotypisch.
Phänotypische Analogiebildung:
Die Phänomene werden hinsichtlich ihrer Erscheinungsform verglichen, aufgrund derer Gemeinsamkeiten von Schülerinnen und Schülern abgeleitet werden können. Diese Form ist für die Kinder am naheliegendsten und findet, da sie zuerst von dem ausgehen, was sie konkret vor sich sehen.
Beispiel: Durch eine Kerze, an der an beiden Enden der Docht freigelegt wurde, wird mittig eine Stecknadel gebohrt. Die Nadel dient als Achse, mit der die Kerze drehbar auf zwei Holzklötzen gelagert wird. Beide Dochtenden werden angezündet, nach kurzer Zeit heben und senken sich die Kerzenenden abwechselnd, weil der Abbrand des Wachses am tiefer liegenden Ende stärker ist als am höher liegenden. Kinder vergleichen dieses Phänomen mit der Spielplatzwippe. Die äußere Analogie ist offensichtlich, führt aber nicht zu einer physikalisch haltbaren Deutung.
Genotypische Analogiebildung:
Bei dieser Form der Analogiebildung bezieht sich der Vergleich zwischen den Phänomene auf die zugrunde liegenden Wirkmechanismen und deren Erschließung. Das bedeutet auch äußerlich ganz unterschiedliche Phänomene können „innerlich“ dasselbe bedeuten, bzw. auf dieselbe Regelhaftigkeit, dasselbe wissenschaftliche Konzept zurückgeführt werden.
Beispiel: physikalisches Konzept: Luft ist ein Körper und nimmt Raum ein
Phänomene, die darauf beruhen: ein in eine Flasche gestülpter Luftballon in Luftballon lässt sich nicht aufblasen; eine unter einem umgestülpten Glas in einem Wasserbehälter untergetauchte Teelichtschale mit Watte bleibt trocken; mit einem Strohhalm kann Luft in ein umgestülptes Glas unter Wasser eingefüllt werden und das Wasser im Glas verdrängen etc.)
Der Vergleich der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Luft als Körper in den Versuchen führt zu einem verallgemeinernden Verständnis des Konzepts.
Aufbau eines Phänomenkreises:
Das Ziel der Phänomenkreise liegt darin, die Kinder zur genotypischen Analogiebildung zu bewegen und die Erklärung des gemeinsamen Wirkprinzips anzubahnen. Aus diesem Grund sollten für die Auswahl der einzelnen Phänomene im Phänomenkreis die folgenden vier Bedingungen erfüllt sein (nach Stern 1893), damit an ihnen eine (genotypische) Analogiebetrachtung erfolgen kann:
- Es muss die Möglichkeit bestehen, dass ein Phänomen durch die anderen Phänomene reproduziert werden kann. Das bedeutet die Phänomene müssen übereinstimmende Elemente besitzen.
- Die übereinstimmenden Elemente zwischen den Phänomenen sollten vorherrschen.
- Die Analogien sollten mindestens zum Teil durch Beziehungen zwischen den übereinstimmenden Elementen gebildet werden.
- Unterscheidende Elemente sind notwendig, um die einzelnen Phänomene voneinander abzugrenzen.