Alle gegen einen - Cyber-Mobbing in der Grundschule
Worum geht es?
Dass Schülerinnen und Schüler Mitschülerinnen und Mitschüler mobben, d. h. schikanieren, ausgrenzen oder psychisch verletzen, ist inzwischen ein altbekanntes Phänomen, welches in allen Schulen und Schulformen zu beobachten ist. Verhältnismäßig neu ist allerdings das sogenannte Cyber-Mobbing, welches im Zuge der Digitalisierung unserer Lebenswelten verheerende Konsequenzen für die Opfer haben kann. Um soziale Ausgrenzung zu verhindern und ein respektvolles Miteinander zu fördern, sollte das Thema Cyber-Mobbing daher präventiv bereits im (Sach-)Unterricht der Grundschule aufgegriffen werden.
Fachlicher Hintergrund
Cyber-Mobbing oder auch Schulhofmobbing (vgl. Scheithauer, Hayer & Petermann 2003) definiert sich über ein aggressives Verhalten einer oder mehrerer Personen gegenüber einer anderen Person. Die vorrangige Absicht liegt dabei in einer Schädigung jener Person, wobei sich das Verhalten ihr gegenüber wiederholt und sich der Betroffene nur schwer dagegen wehren kann (vgl. Smith et al. 2008).
Im konkreten Falle des Cyber-Mobbings werden Personen mit Hilfe digitaler Medien bzw. digitaler Kommunikationsmöglichkeiten ausgegrenzt, beleidigt, bedroht oder bloßgestellt. Dabei können ähnlich wie beim Schulhofmobbing - neben Täter und Opfer - weitere Personen beispielsweise als Verstärker, Assistent, Verteidiger oder Außenstehender existieren bzw. agieren und damit das (Cyber-)Mobbing zu einem gruppendynamischen Prozess werden lassen (vgl. Schultze-Krumbholz et al. 2012, s. Grafik, S.30).
Obwohl es viele Parallelen gibt, unterscheidet sich das Cyber-Mobbing vom traditionelleren Mobbing durch folgende Aspekte:
- Ungewissheit und Angst werden vermehrt erzeugt sowie Lösungsansätze verhindert, da die Täter, d. h. die beteiligten Personen bzw. Akteure anonym agieren können.
- Die Demütigung wird aufgrund der Unbegrenztheit des virtuellen Raumes existentiell verstärkt.
- Das Mobbing endet möglicherweise nie, da diverse Inhalte im World Wide Web zeitlich unbegrenzt gespeichert und daher jederzeit abgerufen werden können.
- Die Opfer, d. h. die betroffenen Personen sind jederzeit erreichbar und somit verletzlich.
- Die Konsequenzen seines Handelns sind dem Täter gegebenenfalls nicht bewusst, da ihm das mimische und gestische Feedback auf Grund mangelnder Face-to-Face Kommunikation fehlt.
Didaktischer Hintergrund
Obwohl die meisten von uns der Meinung sind bzw. glauben, dass Cyber-Mobbing erst in der weiterführenden Schule auftritt, zeigt die aktuelle KIM-Studie (Studie Kinder + Medien, Computer + Internet) leider bereits das Gegenteil. Daher müssen - auch mit Blick auf bildungspolitische Forderungen - sowohl Medienkompetenzen bereits in der Grundschule vermittelt werden (vgl. z. B. KMK 2012), um problematischen Formen der Digitalisierung wie beispielsweise dem Cyber-Mobbing entgegen zu wirken. Schon früh sollte die Chance genutzt werden, Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, wie sie sich im Falle von Cyber-Mobbing verhalten und welche Maßnahmen sie zu ihrem und zum Schutz Anderer ergreifen können und sollten.
So werden in der Auseinandersetzung mit der Thematik Cyber-Mobbing ausgewählte Kompeten-zen aus dem Perspektivrahmen Sachunterricht sowohl im Rahmen der perspektivbezogenen Denk-, Arbeits- und Handlungsweise „Argumentieren sowie zwischen Einzelnen oder zwischen Gruppen mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen verhandeln“ als auch im Kontext des perspektivenvernetzenden Themenbereichs „Medien" gefördert.
Während die Schülerinnen und Schüler zum einen lernen, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und diese zu beschreiben sowie verschiedene Konfliktlösungen zu suchen und eine begründete Sichtweise zum aufgezeigten Konflikt zu entwickeln (vgl. GDSU 2013), erfahren sie zum anderen, den Gebrauch, den Konsum und die Wirkung von Medien zu reflektieren.
Unterrichtsdurchführung
Die folgende Unterrichtseinheit zeigt eine an den Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfende Herangehensweise an die Thematik Cyber-Mobbing auf, bei der die individuellen Ängste, Befürchtungen und Grenzen jener berücksichtigt werden.
Einstieg:
In einem ersten Schritt werden die Schülerinnen und Schüler mit dem ersten Teil der Geschichte „Alle gegen Luca“ konfrontiert. Hierzu berichtet die Lehrkraft über einen fiktiven Grundschüler, der nach Erhalt seiner sehr guten Klassenarbeit von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern im WhatsApp-Klassenchat angegriffen wird.
Vor diesem Hintergrund sollen die Schülerinnen und Schüler in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit antizipieren, was in diesem Chatverlauf möglicherweise stehen könnte. Die Ergebnisse werden notiert und anschließend im Plenum präsentiert und reflektiert.
Verlauf:
Im weiteren Verlauf stellt die Lehrkraft ihren Mitschülerinnen und Mitschülern den zweiten Teil der Geschichte „Alle gegen Luca“ vor, so dass diese erfahren, dass Luca Opfer von Cyber-Mobbing geworden ist. Vor diesem Hintergrund sollen sich die Schülerinnen und Schüler in einem ersten Schritt in Luca hineinversetzen, um ggf. verbalisieren zu können, wie sie sich wohl an seiner Stelle fühlen würden. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler im Anschluss ist es, sich ggf. an eigene, eventuell vergleichende Erfahrungen zu erinnern und diese zu notieren.
Da die individuellen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler sehr persönlich, sensibel sowie emotional sein können, sollte bei der Ergebnisvorstellung die Freiwilligkeit sowie die respektvolle bzw. wertschätzende Auseinandersetzung mit den Äußerungen als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Auch sollte die Lehrkraft das aufgezeigte Geschehen - sowohl im Rahmen der Geschichte „Alle gegen Luca“ als auch im Zuge der Schülerbeiträge - als Cyber-Mobbing konkret thematisieren und seine Bedeutung erläutern.
Auch die Bearbeitung der Geschichte und der damit einhergehenden Antizipation möglicher Reaktionen auf fiese Nachrichten und Kommentare anderer Kinder, setzt die emphatische Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit Lucas Situation voraus. Diese Aufgabe sollte im Anschluss an die Erzählung des 3. Teils der Geschichte „Alle gegen Luca“ erneut in Einzel- oder Partnerarbeit gelöst werden, wobei sich eine Ergebnispräsentation sowie Reflexion im Plenum anschließen sollte.
Abschluss:
Der letzte Teil der Geschichte „Alle gegen Luca“, bei dem der Ausgang relativ offen bleibt, Luca sich allerdings seiner Mutter anvertraut, wird zum Ende der Unterrichtsreihe im Plenum vorgetragen. Auch zu diesem Zeitpunkt sollen sich die Schülerinnen und Schüler erneut in Lucas Lage versetzen und in Einzel- oder Partnerarbeit unter anderem notieren, wem sie sich an seiner Stelle unter diesen Umständen anvertrauen würden. Weiterhin sollen sie erörtern, warum Luca ihrer Meinung nach niemanden einweihte und welche Lösungen es für seine Situation gibt. Selbstverständlich sollte abschließend wieder ausreichend Zeit für die Präsentation sowie Reflexion der Schülerergebnisse zur Verfügung stehen.
Dank dieser Herangehensweise werden die Schülerinnen und Schüler für das Thema Cyber-Mobbing sensibilisiert und können zwischen verschiedenen Erscheinungsformen und Folgen differenzieren. Außerdem werden sie dazu ermutigt, über ihr eigenes Handeln im Falle von Cyber-Mobbing intensiv nachzudenken, angemessen zu reagieren und notwendige Konsequenzen zu ziehen.
Lernanschlüsse
Weitere Möglichkeiten stellen die Durchführung eines Rollenspiels oder die Arbeit mit Standbildern dar. Indem die Schülerinnen und Schüler Inhalte der Geschichte „Alle gegen Luca“ nachspielen bzw. bestimmte Sequenzen in Form von Standbildern darstellen, werden das Thema Cyber-Mobbing“ visualisiert und das Einfühlen in bestimmte Personen mitsamt ihren Einstellungen, Haltungen und Gefühlen begünstigt. Sollte es Schülerinnen und Schüler geben, welche eher zurückhaltend sind und den Auftritt vor großem Publikum scheuen, wäre eine digitale Aufnahme des Rollenspiels oder des Standbildes in der Kleingruppe mit Hilfe einer Kamera, eines Tablets, etc. denkbar.
Medienkompetenzrahmen
1.4, 3.1, 3.2, 3.3, 3.4, 5.4