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Genetisches Lernen

Das genetische Lernen geht auf Arbeiten von John Dewey (1915) und Martin Wagenschein (1992) zurück (Möller 2001). Wobei letztere sowohl als Namensgeber als auch bekanntester Vertreter einer genetisch orientierten Didaktik gesehen bezeichnet werden kann. Eine moderne Umsetzung der Gedanken Wagenscheins, bezogen auf die Anforderungen des Sachunterrichts, findet sich in den Arbeiten von Walther Köhnlein.

Genetischer Sachunterricht nach Köhnlein

„Das Genetische betrifft das Werden, die Entstehung, die Erzeugung von Gedanken und Erkenntnissen durch schrittweise Rekonstruktion der Wirklichkeit und als Ergebnis der Vernunft“ (Köhnlein 2011, S. 14). Köhnlein beschreibt den genetischen Aspekt als ein leitendes Prinzip für den Sachunterricht und stellt diesen in den Mittelpunkt eines modernen Sachunterrichts.

Genetisches Lehren und Lernen zielt vor allem auf das Zustandekommen von Erkenntnis ab. Das Genetische ist, wie bei Wagenschein, mit dem Exemplarischen und Sokratischen verbunden und bildet den Kernbereich des modernen Sachunterrichts nach Köhnlein (2011). Exemplarisches Lehren und Lernen vollzieht sich dabei an akzentuierten Beispielen, die den Kindern breite Erkundungs- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Somit gilt es für den Unterricht eine Auswahl an Beispielen zu finden, an denen ein Sachverhalt grundlegend erarbeitet werden kann. Köhnlein unterscheidet zwischen:

  • einführende Beispiele, die ein Gebiet eröffnen
  • illustrierende Beispiele, die Zusammenhänge erkennen lassen 
  • belegende Beispiele, die Beweiskraft haben (z.B. Experiment)

Das Exemplarische legt u.a. die Kriterien Bedeutsamkeit, Zugänglichkeit und Ergiebigkeit bei der Stoffauswahl zugrunde. Sokratische Komponenten beziehen sich auf die Prüfung der Gedanken im Gespräch. Das Gespräch dient im Unterricht dazu Beobachtungen Schlussfolgerungen und weiterführende Handlungen abzuleiten. Es soll dabei sachbezogen, kritisch, emphatisch aber auch ermutigend und weiterführend geführt werden. Das Konstruktive ist eng mit dem genetischen Verwandt. Die Aktivität der Kinder als Konstrukteur ihres Wissens ist dabei entscheidet für den Lernprozess. Für den Unterricht bedeutet das:

  • die Aufmerksamkeit auf die Anfänge des Erkennens zu legen.
  • offen für individuelle und kooperative Lernwege zu sein.
  • die Reflexion des Prozesses des Erkenntnisgewinns, des Erzeugens und Prüfens von Vermutungen (Wie sind wir darauf gekommen?).

Die Vielperspektivität beschreibt den mehrdimensionalen Zugriff auf Sachverhalte. Dabei gilt:

  • einen Sachverhalt aus unterschiedlicher Sicht zu erfassen
  • sachbezogene Offenheit für das Suchen und Denken der Kinder
  • Bezug auf spätere Fachperspektiven

Im genetischen Unterricht sind Einsicht, Erkenntnis, Wissen und verstehen Annäherungsprozesse, die frühzeitig eingeleitet, kontinuierlich verfolgt und exemplarisch vertieft werden sollten. Für die Lehrkraft besteht dabei die Herausforderung den Lernenden Raum zur Entfaltung zu gewähren und durch sensible Unterstützung individuelle Lernprozesse zu ermöglichen. Nach Möller (2001, S. 19) unterscheidet Köhnlein fünf verschiedene Funktionen des genetischen Sachunterrichts:

  • Fundierende Funktion: Das gründliche Anknüpfen an das Vorverständnis der Kinder ist von zentraler Bedeutung. Vorstellungen werden mit dem Ziel des Verstehens aufgebaut und bilden somit die Grundlage für weiteres Lernen.
  • Eröffnende Funktion: Das Ziel des genetischen Unterrichts ist die Entwicklung von alltagsweltlichen Erfahrungen der Kinder hin zu wissenschaftsbezogenen Kenntnissen. Grundlegende Ideen sollen auf neue Phänomene angewendet werden und so weiterführende Einsichten ermöglichen.
  • Erschließende Funktion: Die Ausrichtung des genetischen Unterrichts auf Sachgemäßheit, kritisches Prüfen und produktives Suchen fördern allgemeine Sach- und Sprachkompetenz.
  • Erkenntnisleitende Funktion: Verstehen ist das zentrale Element des genetischen Unterrichts.
  • Unterrichtsgestaltende Funktion: genetischen Lehren und Lernen erfordert einen forschenden und auf lange Lernzeiten ausgelegten Unterricht.