Differenzierung und Individualisierung
Heterogene Lernvoraussetzungen gehören zur alltäglichen pädagogischen Praxis. Auch im Sachunterricht bringen die Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedliche Vorerfahrungen mit. Abgesehen von unterschiedlicher Herkunft, religiösen Überzeugungen und verschiedener kultureller Orientierung gibt es eine große Breite individueller Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten auf Seiten der Schüler und Schülerinnen.
Differenzierung und Individualisierung sind didaktische Leitbegriffe im Umgang mit Heterogenität. Sie dienen der ermutigenden Erziehung und zielen auf eine individuelle und soziale Förderung. Dabei ist „Differenzierung ... jene organisatorische Maßnahme, die dem Prinzip der Individualisierung zur unterrichtlichen Geltung verhilft.“ (Memmert 1995, S.69).
Individualisierung bedeutet, auf die Lernmöglichkeiten eines jeden einzelnen Kindes einzugehen und Bedingungen zu schaffen, die es jedem Schüler, jeder Schülerin gestatten, auf individuelle Art, in eigenem Lerntempo, mit geeignetem Material und Lernhilfen zum Ziel zu kommen und erfolgreich zu lernen (Prinzip des Förderns und Forderns). Im Extremfall lernt jeder Einzelne etwas anderes, wozu der Sachunterricht z.B. durch die Vergabe von Referaten oder speziellen Forscheraufträgen Raum und Anlass bieten kann. Dabei sind die zuvor erfassten Lernvoraussetzungen und/ oder Interessen einzelner Schülerinnen und Schüler der Ausgangspunkt. (vgl. Bohl et al. 2012, S.44f).
Ein Ansatz, der sich gut auf den Sachunterricht übertragen lässt, stellt die Berücksichtigung der „individuellen Lernwege“ dar. Diese Variante setzt bei der Idee der Adaptivität und des Scaffoldings an. Kernidee ist es, Aufgaben (z.B. Forscheraufträge für den Sachunterricht) so komplex und offen zu gestalten, dass die Kinder auf unterschiedlichen Niveaus und Zugangsweisen eigenaktiv daran arbeiten können. Folgende Schritte ermöglichen die individuellen Lernwege:
- Aufgreifen der Vorerfahrungen/ Präkonzepte der Kinder
- Selbstständiges und eigenaktives Arbeiten an einer Fragestellung
- Gemeinsamer Austausch über die gefundenen Erklärungen (vgl. Hartinger & Lange 2014, S.190f)
Nicht jede Differenzierung stellt gleichzeitig eine Individualisierung dar. Im Gegensatz zur Individualisierung steht hier nicht zwangsläufig das Individuum im Vordergrund, sondern eine merkmalsbezogene Gruppierung in der Klasse/ Lerngruppe. Differenzierung wird dann zur Individualisierung, wenn der Lerner bei seinen eigenen Möglichkeiten „abgeholt“ wird, d.h. Lernen dort beginnt, wo es für den Schüler anfängt, neu zu werden (vgl. Bönsch 1995).
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen innerer Differenzierung (innerhalb der Klasse) und äußerer Differenzierung (Schulsystem). Nach Meyer (2007) bezeichnet innere Differenzierung alle Formen der zeitlich befristeten und/oder dauerhaften Aufteilung eines Lernverbandes in arbeitsfähige Teilgruppen.