Technik im Sachunterricht
Nahezu alle Lebensbereiche unserer Umwelt sind technisch geprägt, Kinder besitzen bereits umfassende Erfahrungen als Konsumenten, Nutzer, Betroffene von Technik und ihren Folgen.
Technische Bildung in der Grundschule zielt auf ein Verständnis technischer Artefakte und Prozesse und die Grundlegung mündiger Teilhabe und eine „sachangemessene, verantwortungsvolle Handlungs- und kritische Urteilsfähigkeit“ (Bienhaus 2008) in einer von Menschen technisch gestalteten Welt.
Für den Sachunterricht lassen sich grob fünf Denk- Arbeits- und Handlungsweisen unterscheiden, die die Erschließung der technischen Wirklichkeit ermöglichen und die in der Entwicklung von Unterrichtsreihen häufig zusammenwirken:
Technik analysieren
Kinder analysieren Technik
Wie funktionieren einfache Gegenstände der Alltagstechnik (Fahrradluftpumpe, Klettverschluss, Sicherheitsnadel, Kugelschreiber, Nussknacker, Handrührgerät, Bohrmaschine etc.)? Wie funktioniert eine Kläranlage, eine Autowaschanlage, eine Seilbahn? Wie werden Gummibärchen produziert, wie Bleistifte, wie Autos? Woher kommt der elektrische Strom? Woher „weiß“ die Lärm-Ampel in der Klasse, wann es zu laut ist?
Viele technische Artefakte und Prozesse aus dem Erfahrungsbereich der Kinder lassen sich analytisch untersuchen. Dabei geht es darum, „einfache technische Funktionsprinzipien- und Handlungszusammenhänge zu verstehen und technische Gegenstände und Prozesse und [der] Lebenswelt zu verstehen“ (GDSU 2013, S. 64). Das Verstehen von technischen Funktionszusammenhängen, Abläufen und Wirkprinzipien wird unterstützt durch Verfahren wie Erprobung und genaue Beobachtung, Demontage (falls möglich) und Sachzeichnung, Recherche in Print-, AV- und digitalen Medien, Unterrichtsgänge an außerschulische Lernorte und Befragung von Experten aus Industrie und Handwerk.
Wichtig ist die Auswahl von Gegenständen mit gut zugänglichen Funktionselementen, hinreichend einfachen Funktionsprinzipien, über deren zugrundeliegende naturwissenschaftliche Konzepte die Kinder bereits verfügen oder deren Erwerb sie nicht überfordert. Medien (Video, grafische Animationen etc.) können die Erschließung unzugänglicher Gegenstände (verkapselte Technik, z.B. Lichtschalter) und Abläufe (z.B. Produktionsabläufe in Fabriken etc.) unterstützen.
Häufig ist die Ergänzung analytischer Zugänge zu Technik durch handelnd-produktive Verfahren (Nach-Erfinden, Konstruieren) sinnvoll.
Technik konstruieren
Kinder konstruieren Technik
Wie kann man eine schwere Last über eine Höhendistanz bewegen? Wie einen Turm oder eine Brücke möglichst stabil und sparsam bauen? Wie lässt sich erreichen, dass ein Fahrzeugmodell oder eine Alarmanlage zuverlässig funktioniert?
Problembezogenes Konstruieren stellt ein zentrales Charakteristikum der Technik dar. Dem entsprechend ist ein zentrales Element technischer Bildung „das Identifizieren und produktive Lösen technischer Probleme mit den Prozessen der Problemfindung, des praktischen Handelns, Erkundens, Konstruierens, Optimierens und Bewertens“ (GDSU 2013, S.63). Neben dem angestrebten Verstehen technischer Wirkprinzipien und Funktionszusammenhänge durch Nach-Erfinden und Probehandeln geht es darum, „den produktiv-schöpferischen Charakter der Technik sowie die Zweck-Mittel-Bindung im technischen Handelns zu erfahren“ (GDSU 2013, S.64). Dazu werden Verfahren eingesetzt, die sich (didaktisch stark reduziert) an Standardverfahren aus der technischen Konstruktion und Produktion anlehnen (z.B. Pflichtenheft, Entwurfsskizze, Arbeitsorganisation, Materialprüfung, technisches Experiment, Testlauf und Optimierung etc.).
Je nach Entwicklungsalter und didaktischem Anliegen können konstruierende Lernaktivitäten im Unterricht eher spielerisch und inhaltlich offen (z.B. Erfinderwerkstatt, Bauecke etc.) oder eher zweckgebunden und zielorientiert (Konstruktionsaufgabe, Projekt, problemorientierter Unterricht etc.) angelegt werden.
Der kreativ-produktive, planend-antizipierende Lernprozess des Konstruierens korrespondiert in der Umsetzung mit der Anwendung und Entwicklung handwerklicher Fertigkeiten und dem Erlernen eines sachgemäßen Umgangs mit Werkzeugen und Werkstoffen und der Organisation des Arbeitsplatzes auch unter Sicherheitsaspekten. Dieses erforderliche Können (z.B. Handhabung einer Säge, Einspannen von Werkstücken, Vorbohren von Schraubverbindungen etc.) wird entweder vorab durch gezielt angeleitete Bauaufgaben mit Übungscharakter erworben, deren konstruktiver Anteil eher gering ist (z.B. der Igel aus einem Holzklotz mit vielen Nagel-„Stacheln“), oder im Rahmen von lehrgangsartigen Einschüben („didaktische Schleifen“). Ziel ist es dabei, „lebenspraktisches Können und Wissen zu erweitern, d.h. eine technisch-praktische Handlungsfähigkeit auszubilden.“ (GDSU 2013, S.64)
Häufig werden in der Grundschule keine Realobjekte, sondern Funktionsmodelle konstruiert. Beim Bauen von Funktionsmodellen stellt sich häufig das Problem, in wie weit die Größen- und Kräfteverhältnisse und das Verhalten des Werkstoffs und der Verbindungstechniken im Modell dem des originalen Materials entsprechen. Für die Kinder entstehen zudem oft handwerkliche Hindernisse (s.o.) durch das verwendete Material.
Ein mechanisches Hebelsystem wie z.B. eine Eisenbahnschranke funktioniert weitgehend unabhängig davon, ob ein strukturiertes Material wie ein Modellbaukasten (Lego, Fischertechnik o.ä.) eingesetzt wird oder unstrukturiertes Material wie Styroporplatten und -balken, Pappstreifen und Musterbeutelklammern; hier kann man das am leichtesten zu bearbeitende Material wählen. Beim Bau einer Brücke ist hingegen die Biegefestigkeit des Brückenträgers (der „Fahrbahn“) von entscheidender Bedeutung für die Stabilität; damit entsprechende Lernerfahrungen möglich sind, muss auch im Modellmaßstab das verwendete Material bei der geringen Last von z.B. Spielzeugautos eine entsprechende Durchbiegung aufweisen - daher ist es hier nicht gleichgültig, ob Papier, Holzbretter oder Baukastenteile genutzt werden.
Technik nutzen
Kinder konsumieren und nutzen Technik
Ich brauche einen neuen CD-Spieler - oder kann ich meinen alten reparieren lassen? Ist der neue 3D-Fernseher von Linas Familie besser als unserer? Energiesparlampe sind doch umweltfreundlich - warum dürfen die dann nicht in den Hausmüll? Warum muss ich denn mein Fahrrad putzen - es fährt doch auch so?
Mehr denn als Konstrukteure treten Kinder als Konsumenten aktiv mit technischen Produkten in Kontakt. Im Gebrauchszyklus eines technischen Produkts sind sie zunächst an Kaufentscheidungen beteiligt; dazu gehören die Reflexion der persönlichen Anforderungen an das Produkt, der Vergleich von Qualität und Ausstattungsmerkmalen (primäre und sekundäre Funktionen) und des Preis-Leistungsverhältnisses verschiedener Ausführungen. Kaufkriterien wie Haltbarkeit, Energieverbrauch, Reparaturfreundlichkeit sollten Kindern bewusst werden. Im perspektivenübergreifenden Kontext der Verbraucherbildung kann auch die Reflexion von Werbewirkungen berücksichtigt werden.
Zur sachgemäßen Nutzung eines technischen Produkts gehört das Lesen und Verstehen von Gebrauchsanweisungen mit verschiedenen technikspezifischen Darstellungsformaten (Text, technische Zeichnungen, Explosionszeichnungen, Montageanleitungen etc.). Hinweise zur Betriebssicherheit und Normkonformität, Prüfsiegel sollten verstanden werden.
Die sachgemäße Handhabung, Aufbewahrung, Wartung, Pflege, Reparatur und Entsorgung technischer Gegenstände im Besitz der Kinder (z.B. Fahrrad) sind auch unter dem Aspekt der Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeutsame Aspekte technischen Handelns, die thematisiert werden sollten.
Technik bewerten
Kinder bewerten Technik
Wie war es, als es noch keine Handys gab? Was wäre, wenn hier keine Brücke stünde? Mein Vater hat keine Arbeit mehr, die macht jetzt ein Roboter. Was können wir tun, damit nicht so viel Plastik im Meer landet?
Technik unterliegt Entwicklungen, die mit gesellschaftlichen Veränderungen korrespondieren und die sich mit beabsichtigten und unbeabsichtigten Technikfolgen verändernd auf das Leben der Menschen auswirken.
Dabei ist zum einen das Entstehen von technischen Entwicklungen, die Problemsituationen, auf die Erfindungen reagieren, die Umstände, unter denen sie entdeckt oder erfunden werden, für Kinder von Interesse. Hier bestehen Anknüpfungsmöglichkeiten an konstruierende oder nach-erfindende Lernaktivitäten. Die (ambivalente) Bewertung des Gebrauchswerts, der alltagspraktischen oder technologischen Vorzüge (und Nachteile) technischer Erfindungen und Entwicklungen ist u.a. im Rahmen von Nachdenkgesprächen möglich.
Einige Themen eignen sich durchaus auch dazu, bereits in der Grundschule die weiteren beabsichtigten und unbeabsichtigten gesellschaftlichen, sozioökonomischen und ökologischen Folgen technischer Entwicklungen zu untersuchen und zu bewerten (z.B. die Erfindung des Autos, die Entwicklung der Produktionstechnik von der handwerklichen Einzelanfertigung zur industriellen Serienproduktion, die Entwicklung und exzessive Verwendung von petrochemischen Kunststoffen, die Nutzung fossiler bzw. regenerativer Energiequelle). Technikgeschichtliche Herangehensweisen (z.B. Zeitzeugenberichte, Recherche in aufbereiteten historischen Text- und Bildquellen) können Aufschluss über soziotechnische Veränderungen im Alltagsleben und in der Arbeitswelt geben und Anlass sein für technikethische Nachdenkgespräche.
Technik kommunizieren
Kinder kommunizieren Technik
Der Austausch von Ideen zur Lösung einer technischen Konstruktionsaufgabe, das Erklären eines Funktionszusammenhangs, die Einigung auf eine Abfolge von Arbeitsschritten, die Präsentation eines fertigen Arbeitsprodukts, das Verfassen einer einfachen Gebrauchsanweisung, die Informationssuche zu technischen Entwicklungen im Internet und die Weitergabe des Wissens an Mitschüler - die Kommunikation technischer Sachverhalte ist beim Analysieren, Konstruieren, Nutzen und Bewerten von Technik gleichermaßen erforderlich. Oft reicht die Alltagssprache nicht aus, es braucht technikspezifische Mittel wie
- technische Fachbegriffe
- Material- und Werkzeuglisten
- Sachzeichnungen
- Demonstrationen
- einfache Ablaufdiagramme
- Anleitungen
- Modelldarstellungen
- Funktionsmodelle
- Foto- oder Videodokumentationen
Der Aufbau dieser Kommunikationsmittel ist gleichfalls Gegenstand des Sachunterrichts.
Unterrichtsbeispiele:
Unterrichtsanregung "Murmelbahnen aus Papier"
Unterrichtsanregung "Modellautos in Serienproduktion"