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Leistungsbewertung im Sachunterricht - mehr als Zensurengeben

Die Frage nach Leistungen im Sachunterricht und ihrer Bewertung stellt sich nicht erst dann, wenn es um die Festlegung von Zeugnisnoten geht. Aus der Perspektive eines pädagogischen Leistungsverständnisses ist dies lediglich der Endpunkt einer langen Kette von Situationen, in denen Lehrerinnen und Lehrer sich mit den Leistungen ihrer Schülerinnen und Schüler kritisch auseinandersetzen müssen, jedoch nicht aus einer vergleichenden und auslesenden Sichtweise, sondern unter den Aspekten

  1. der kritischen Reflexion und Revision des eigenen Unterrichts: Das Nachdenken über Leistungen einzelner Kinder sollte immer auch ein Nachdenken über die Möglichkeiten sein, die der eigene Unterricht dem einzelnen Kind zum Erbringen dieser Leistungen eröffnet hat.
  2. der pädagogisch sinnvollen individuellen Lernberatung: In wie weit sind die erwünschten Leistungen für die Kinder transparent und subjektiv sinnvoll? Und wie sind sie individuell erreichbar?

Beides ist verknüpft mit dem Ziel bestmöglicher Förderung des Kindes. Fehler und Unsicherheiten werden als „Fenster auf den Lernprozess“ (H. Brügelmann) verstanden. 

Um welche Leistungen geht es im Sachunterricht?

Lernleistungen im Sachunterricht werden sowohl in Arbeitsergebnissen als besonders auch in Arbeitsprozessen erkennbar - das schließt Anstrengungen und Lernfortschritte ein. Sie drücken sich nicht nur in schriftlichen oder mündlichen Äußerungen, sondern auch in zeichnerischen Darstellungen oder Handlungen aus: Häufig können Kinder ihr Verständnis von Sachverhalten auf enaktiver oder ikonischer Ebene besser zum Ausdruck bringen als verbal. Leistungen im Sachunterricht umfassen deklaratives und prozedurales Wissen, Können, Verstehen und Einstellungen und Haltungen. Sie entstehen als Einzel- oder Gruppenleistung.

Vor allem wird die Qualität sachunterrichtlicher Leistungen erkennbar

  • in der interessiert fragenden Haltung gegenüber Phänomenen der Umwelt,
  • in sachlichen Versuchen des Erklären und Argumentierens,
  • im Austausch mit anderen und dem gemeinsamen Aufbau neuer Verständnisse von Phänomenen,
  • im Gehalt mündlicher Beiträge,
  • im zielgerichteten Entwerfen und Durchführen von Versuchen,
  • im kreativen Entwickeln von Problemlösungen,
  • im kriteriengelenkten Erfinden und Konstruieren,
  • in der themenbezogenen Recherche von Sachinformationen in verschiedenen Medien,
  • im sachgerechten Handhaben von Werkzeugen und Messinstrumenten,
  • in der verantwortungsvollen Pflege von Pflanzen und Tieren,
  • im kritischen Reflektieren und Bewerten eigener und fremder Arbeitsergebnisse und -prozesse,
  • in der adressatenbezogenen verbalen, zeichnerischen und handelnden Darstellung von Gegenständen, Sachverhalten und Zusammenhängen und
  • im sorgfältigen und verständlichen Dokumentieren von neu gewonnenem Wissen.

Inhaltlich wird der Horizont der Leistungen im Sachunterricht durch die fachlichen (und überfachlichen) Kompetenzerwartungen im Lehrplan (und in den Richtlinien) oder im Perspektivrahmen Sachunterricht beschrieben. Dabei sind konzeptbezogene (fachwissenschaftliche Themen und Konzepte) und prozessbezogene (Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen) Kompetenzerwartungen unterscheidbar, die als Bildungsstandards auf unterschiedlichen Niveaus („Anforderungsbereiche“) formuliert werden können; sinngemäß werden hier mit steigendem Abstraktions- und Komplexitätsgrad drei Niveaus unterschieden, die auch als Maßstab der Leistungsanforderung für die Konstruktion differenzierender Lernaufgaben, der Diagnose und Bewertung von Schülerleistungen dienen.

Sachunterrichtsthemen sind in der Regel so komplex, dass Operationen auf allen drei Niveaus zu ihrer Bearbeitung erforderlich sind. Daher muss Sachunterricht so angelegt sein, dass das beschriebene mehrdimensionale Spektrum an Leistungsformen und -niveaus nicht unnötig beschnitten wird.

Leistungen im Sachunterricht feststellen

Zur Feststellung von Schülerleistungen genügt demnach nicht die Sichtung von Arbeitsergebnissen und Sachunterrichtsmappen oder informellen Tests. Dabei entsteht allerdings das Problem, diese Leistungen im laufenden Unterricht auch zu erfassen, um sie zu Zwecken der Lerndiagnostik und -beratung sowie zur Unterrichtsentwicklung nutzen zu können. Hier liegt für die Lehrkräfte eine Herausforderung, die geeignete Verfahren erfordert.

Zur Feststellung und Bewertung von verbalisierbarem Wissen sind Gespräche, Fragebögen, informelle Tests und Portfolios gut geeignet. Fachliches Denken und Handeln lässt sich mittels Beobachtungen, Gesprächen und ggf. Lerntagebüchern gut erfassen. Fertigkeiten sind in Präsentationen, fachlichen Produkten oder durch Beobachtungen überprüfbar, während sich Lernvorgänge, Interessen und Erfahrungen in Lerntagebüchern, Portfolios, Arbeitsprodukten und Gesprächen niederschlagen.

„Die Bewertungskriterien müssen den Schülerinnen und Schülern vorab in altersangemessener Form - z.B. anhand von Beispielen - verdeutlicht werden, damit diese Klarheit über die Leistungsanforderungen haben.“ (MSW 2008, S.20)

Veränderungen in der Lehrer- und Schülerrolle

„Wenn Funktionen der Kontrolle und Bewertung in den Lernprozess verlagert werden, ergeben sich notwendigerweise für Lehrer und Schüler eine Reihe ungewohnter Aufgaben und eine Veränderung ihrer Rollen zueinander sowie im Unterricht. [...] Vor allem dort, wo offene Unterrichtsformen praktiziert werden, sind die Mittel der Kontrolle zugleich Mittel der Strukturierung und Stützung des Unterrichts.[...] Sie haben nicht nur Bedeutung für das individuelle Lernen, sondern auch für den Erfolg des gesamten Unterrichts. Die Schüler werden daher verantwortliche Mitgestalter des Unterrichts in einem weit höheren Maße als beim herkömmlichen Unterricht und bei herkömmlicher Leistungskontrolle. Die Lehrer dagegen treten phasenweise gewissermaßen neben das Unterrichtsgeschehen, geben die Rolle als Vermittler des Fachwissens ab und werden Lernbegleiter und Lernberater. Das heißt nicht, dass sie weniger zu tun hätten, aber eben anders. Sie müssen nicht nur Fachperson für den Stoff sein, sondern auch für das Lernen.“ (Winter 2012, S.107).

Unterrichtsbeispiel:

Portfolio:

Unterrichtsanregung "Elektrizität erforschen – Ein Museum entsteht"